… oder wie muss ich mit den Informationen Sensitivität und Spezifität umgehen?
(Einleitend für den ersten Post: Ich habe die Seite Senf eingerichtet für Dinge, wo ich meinen Senf dazu geben möchte. Hier ist ein sehr milder…)
Achtung: Informationsstand vom 19.3.2021.
Ausgangspunkt: Die Kids sollen in den Schulen Schnelltests durchführen. Mich interessieren die Fragen, was ist zu erwarten, wenn ein Test positiv ist? Also: Wie wahrscheinlich liegt dann tatsächlich eine Infektion vor, mit welcher Häufigkeit muss man mit einem falsch-positiven Ergebnis rechnen?
Da ich auch immer wieder erlebe, dass selbst Fachkollegen nicht in der Lage sind, dies abzuschätzen… gebe ich diesen Senf öffentlich ab, verweise zu den Erläuterungen auf die Wikipedia.
Bei einem positiven Testergebnis müssen sich die Kinder sofort in Quarantäne begeben, einen PCR-Test vereinbaren. Die Quarantäne wird erst mit Erhalt eines negativen Tests aufgehoben. (Zum 19.3. gültige Quarantäneverordnung NRW vom 18.1.2021 §2 Abs. 1).
Information über die Kenndaten des Roche-Tests SARS-CoV-2 Sensitivität 96,52 %, Spezifität 99,68 % lt. Hersteller (Link zum Fact-Sheet).
Die Prävalenz der Infektion ist schwer zu schätzen, vom 19.3. berichtet die Stadt Bielefeld, dass das RKI schätze, dass derzeit 490 EinwohnerInnen infektiös seien. Ich gehe für die Rechenbeispiele somit erst einmal bei ca. 334000 Einwohnern von einer aktuellen Prävalenz von 0,146 % aus.
Und: Ich setze hier voraus, dass die Kenngröße „Antigen vorhanden“, die der Test überprüft, gleichzusetzen ist mit „Infektiös“. Das scheint mir aber auch recht plausibel. Die Tests reagieren auf das Nukleocapsid, und offenbar nicht auf das Spikeprotein, das ja vielleicht bei frisch geimpften im Blut herumschwirren kann.
Mit der Vier-Felder-Tafel ergibt sich:
Positiv | Negativ | |
Infektiös (0,146%) | (96,52% von 0,146%): 0,141% | (3,48% von 0,146%): 0,005% |
Nicht infektiös (99,854%) | (0,32% (100%-99,68%) von 99,865%): 0,32% | (99,68% von 99,854 %): 99,534% |
Das heißt im Klartext: Bei einem positiven Schnelltestergebnis liegt mit einer Wahrscheinlichkeit von ca. 69,4% ein falsch positives Ergebnis vor.
Oder: wenn alle ca. 710 Schüler getestet würden, müßte man an der Schule mit ca. einem richtig positivem Test rechnen und ca. 2 falsch positiven.
Wichtig ist, dass die PCR-Nachtestung schnell erfolgt, sonst müssen die zwei falsch positiv getesteten Kinder und ihre Familien mit einer unnötigen Quarantäne (die nach der aktuell gültigen Verordnung automatisch angeordnet ist, wenn der Schnelltest positiv ist; dafür bezahlen, dass das eine Kind mit der Infektion identifiziert worden ist.
Die Zahlen habe ich zwar hübsch genau ausgerechnet, das aber nur, um die Rechnungen nachvollziehbarer zu machen. Ich hoffe, es ist jedem klar, dass die Realität sicher noch einmal ganz anders aussieht. Auf einen Versuch einer Fehlerrechnung (Berücksichtigung der zu erwartenden allein schon statistischen Ungenauigkeit der Ausgangsdaten) habe ich verzichtet.
Dass die Daten auch systematische Ungenauigkeiten haben, ist nahezu sicher: Da z.B. die Infektionen als Cluster, also an bestimmten Stellen gehäuft auftreten, die hier im Moment nicht die Schulen, sondern Altersheime und anscheinend religiöse Versammlungen waren, wäre entsprechend die zu erwartende Prävalenz in der Schule sehr viel niedriger, was einen noch höheren Anteil an falsch positiven Tests bedeuten würde. Genauso gut könnte es aber sein, dass die Dunkelziffer an asymptomatischen Infektionen völlig unterschätzt wird, gerade im Kindesalter. Dann wäre der Anteil an falsch positiven Tests niedriger.
Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein positives Testergebnis falsch ist, erhöht sich übrigens bei geimpften Menschen natürlich noch einmal massiv. Dennoch werden auch geimpfte Personen breit gefächert getestet. Ob das so eine gute Idee ist? Jedesmal Quarantäne bis zum PCR-Test?
Nachwort:
Nun wird wie irrsinnig getestet, aber niemand wertet die Datenflut, die jetzt entsteht, systematisch aus. Das heißt, die offenen Fragen könnte man alle beantworten, aber keiner macht sich die Mühe. Oder habe ich das falsch beobachtet? Wenn ich mich irre, und all dies, was ich mir wünsche auch gemacht wird, dann: Bitte, bitte, es wäre schön, wenn in den Medien nicht nur die Unvernunft dargestellt wird, sondern auch das, woran man sich wirklich orientieren kann.
Jetzt, eine Woche nach den Tests in der Schule müsste man doch schon allein durch den Vergleich meiner Erwartungswerte mit den tatsächlichen Testergebnissen an der einen Schule meiner Kinder recht deutliche Vermutungen anstellen können, ob z.B: die Dunkelziffer bei Kindern mutmaßlich über- oder unterschätzt wird.
Erforderlich wäre es
- die Daten überhaupt zu sammeln,
- sie auszuwerten,
- die Ergebnisse zu veröffentlichen,
- hieraus genauere Risikoabschätzungen für bestimmte soziale Situationen vorzunehmen,
- und daraus die Maßnahmen für den Umgang mit der Pandemie optimieren.
Am besten alle diese Schritte, so öffentlich wie möglich gestalten! Transparenz gibt Sicherheit.
Is’n Disclaimer nötig? Wahrscheinlich schon. Alles hier geschilderte ist nur meine subjektive Meinung, ich bitte um sofortige Rückmeldung, wenn jemand der Ansicht ist, dass ich gegen geltendes Recht verstoße. Ich distanziere mich natürlich auch von Inhalten externer Links etc. etc. etc.