Kontaminierte Sprache

(Im Februar 22 geschrieben, ich glaube, es sollte geposted werden…)

Gerade von meiner Tochter angefragt worden, „sag mal, ‚Kraft durch Freude‘ ist das nicht eigentlich von den Nazis?“ Tja, so ist es. Und nun hört man so ähnlich Sachen auch aus schrägen Ecken. Aber nun mal ehrlich, es ist ja nun auch einmal so, dass man ohne Freude, aus einer negativen Stimmung heraus, weniger konstruktive Kraft aufbringen kann.
Das findet sich z.B. auch in der Psychotherapie, in der man eher durch „Annäherungsziele“ als durch „Vermeidungsziele“ vorankommt.
Ich habe das Gefühl, dass im Moment viele Begriffe politisiert, Lagern zugeordnet und damit kontaminiert werden, so dass auch automatisch der Sprecher einem Lager zugeordnet wird. Ich werte das als ein Zeichen gesellschaftlicher Spaltung.
Mit dem Aufkommen der „Querdenker“-Bewegung habe ich es zum ersten Mal als echte Ohrfeige empfunden und wahrgenommen. Hätte ich mich doch sonst auch eher gerne zum „lateral thinking“ aufgefordert gesehen, was man in den letzten 50 Jahren auch mit „querdenken“ hätte übersetzen können (Im Kontrast zu „linear thinking“).
Das Unbehagen, mich durch bestimmte Begriffe selbst einem bestimmten Lager zuzuordnen, wird größer. Im 3. Absatz habe ich z.B. mein Zögern gespürt, als ich „der Sprecher“ geschrieben habe. Das habe ich dann so gelassen, um jetzt beispielhaft darauf zurückzukommen. Egal, was ich schreibe, es ordnet mich ein. Schreibe ich „die SprecherIn“, „die Sprecher*in“, „der oder die Sprecher(-in)“, „die Sprecherin“? Völlig gleichgültig, alles erzeugt eine Gruppenzuordnung.
Meine Sorge ist, dass dies dazu führt, dass Gedanken gar nicht mehr frei formuliert und ausgesprochen werden.
Meine Hoffnung dabei ist, dass es wohl Studien gibt, die belegen, dass die Verwendung genderbewusster Sprache die Kognition fördert.
Hoffentlich führt das insgesamt nicht dazu, dass zwar die Kognition verbessert ist, aber die Kommunikation und damit die Verständigung und zuletzt auch das Verständnis und der Frieden gefährdet wird…

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